Ein Leben für die Kunst

Interview von Sylvia Harke mit Valerie Forster

In diesem Blogbeitrag lesen Sie das Interview, welches Sylvia Harke mit mir über mein Leben als hochsensible Künstlerin geführt hat.

 

Sylvia ist selbst hochsensibel, Buchautorin, Coach und Dipl.-Psychologin. Sie arbeitet freiberuflich als Seelen-Dolmetscherin und Schriftstellerin. Mit ihrer selbständigen Tätigkeit verwirklicht sie ihren Traum von einem selbstbestimmten, kreativen Leben. Gemeinsam mit ihrem Mann gründete sie die hsp academy. Hier hält sie Vorträge und Seminare zur Hochsensibilität und sie begleitet sensitive, hochbegabte und empfindsame Menschen bei der Entfaltung ihrer Potentiale.

Valerie Forster, Interview, Ein Leben für die Kunst

Sylvia: Liebe Valerie, stelle Dich bitte kurz unseren Lesern vor. Wer bist Du? Was machst Du beruflich?

Valerie: Hallo liebe Leserinnen und Leser. Hallo liebe Sylvia, herzlichen Dank für die Einladung zum Interview. Ich heiße Valerie Forster, bin 31 Jahre alt und lebe in Neukirch (bei Tettnang) am Bodensee. Seit meiner Kindheit prägt mich meine Liebe zur Natur und zu den kleinen Dingen im Leben. Ich liebe Wandern, Gärtnern, verschiedene Handarbeiten und Lesen. Ich bin kreativ und erschaffe gerne etwas mit meinen Händen. Nach einiger Zeit der Suche und des Lernens bin ich heute freiberuflich als Autorin und Grafik-Designerin tätig. Ich schreibe und gestalte meine eigenen Bücher. Meine Fotografien und Illustrationen sind in meinen Büchern, Kalendern und in Ausstellungen zu sehen.



Sylvia: Wann hast Du zum ersten Mal wahrgenommen, dass Du anders und empfindsamer bist? Wie erging es Dir mit dieser Erkenntnis?

Valerie: An ein spezielles erstes Schlüsselerlebnis kann ich mich nicht erinnern. Doch ich habe schon ganz früh auf verschiedene Weise gemerkt, dass ich anders und empfindsamer bin. Beispielsweise konnte ich Großstädte nie leiden. Sie sind laut und hektisch. Die Luft ist schlecht. Häufig sammelt sich Müll in Ecken und Ritzen, das empfand ich als unordentlich. Dagegen liebte ich es schon als kleines Kind, in der Natur zu sein. Ich saß gerne ganz still da und beobachtete Schmetterlinge, Blumen und Vögel. Im Urlaub am Meer konnte ich mich stundenlang damit beschäftigen, Steine und Muscheln zu sammeln und sie in einem Eimer mit Wasser zu waschen. Draußen war ich immer glücklich und brauchte nichts anderes, als mir die Natur bieten konnte. Viele verstanden das überhaupt nicht.

Ich habe meine Hochsensibilität immer als etwas ganz Normales empfunden. Jeder hat seine Eigenheiten und Vorlieben. Das war für mich ganz natürlich. Aber ich konnte nie verstehen, wieso das für einige Menschen nicht selbstverständlich ist. Meine Mutter hatte mir von klein auf zu verstehen gegeben, dass ich irgendwie anders bin. Aber für sie war das in Ordnung. Das hatte ich genauso gesehen. Ich konnte nie etwas Falsches in meinem Empfinden und Verhalten sehen. Anders zu sein, als ich bin, war für mich nie erstrebenswert. Ich habe mich nie angepasst oder verbiegen lassen. Ich bin, wie ich bin. Und ich tat immer nur das, was mir gefiel. Andere mussten das akzeptieren. Anderenfalls zog ich mich zurück oder ich vermied den Kontakt mit ihnen. So konnte ich mir mein wahres Ich erhalten. Trotzdem war es eine große Offenbahrung für mich, als ich vor wenigen Jahren durch ein Seminar von Sylvia, von Hochsensibilität erfuhr.



Sylvia: Wie würdest Du Deine Feinfühligkeit am ehesten bezeichnen?

Valerie: Ich würde meine Feinfühligkeit als wahrnehmungsbegabt bezeichnen. Ich habe die erhöhte Sinnessensibilität und Empathie eines Hochsensiblen und zusätzlich die gesteigerte Wahrnehmung einer vielbegabten Scanner-Persönlichkeit. Ich finde kleinste Details und Zusammenhänge, die anderen häufig verborgen bleiben. Probleme und Missstände erkenne ich rasch. Ich arbeite sehr sorgfältig. Aber ich habe gelernt, dass Fehler machen nichts Schlimmes ist. Denn sie bieten mir die Chance, zu lernen. Menschen, Situationen und Stimmungen kann ich schnell einschätzen. Ich kann mich gut in andere einfühlen und spüre, wie es ihnen geht. Meine Sinne sind sehr feinfühlig. Ich bin vielseitig interessiert und es fällt mir leicht, mich in neue Themen einzuarbeiten. Anstatt mich an eine Anleitung zu halten, denke ich mir lieber selbst etwas aus. Wenn zu viele neue Eindrücke auf mich einstürzen, bin ich allerdings schnell reizüberflutet. Dann nehme ich mir Zeit, um wieder zur Ruhe zu kommen. Das hilft mir am schnellsten.


Sylvia: Wie wirkt sich Deine Sensitivität in der Arbeit als Künstlerin aus?

Valerie: Ich erlebe meine Sensibilität als Bereicherung und Begabung für meine künstlerische Tätigkeit. Ich erkunde die Natur gerne mit allen Sinnen. Ich beobachte sie und lerne von ihr. Sie ist meine Inspirationsquelle. Viele meiner Erlebnisse und Erkenntnisse finden sich in meinen Texten und Bildern wieder. Natürlich spielt meine Sensitivität bei der Bildgestaltung und der Wortwahl eine Rolle. Ich habe ein gutes Gespür für die Harmonie von Farben, Formen und Gestaltung generell. Es fällt mir leicht, die Natur mit eigenen Worten zu umschreiben.


Sylvia: Bist Du ein Synästhetiker? (Verknüpfst Du mit Klängen Farben und Formen? Bist Du sehr stark assoziativ veranlagt: Lösen Gerüche, Musik oder Farben bestimmte Gefühle bei Dir aus?)

Valerie: Nein, ich bin kein Synästhetiker. Aber ich habe ein ausgeprägtes Gespür für die Harmonie und Kombination von Farben, Formen und Gestaltung. Ich erkenne, ob etwas stimmig ist oder nicht, ohne dass ich mich besonders damit auseinandersetzen muss.
Während meiner Ausbildung zur Grafik-Designerin habe ich bei Gestaltungsaufgaben oft ohne zu überlegen drauflos gearbeitet. Mein Lehrer lobte mich anschließend häufig, weil ich viele Gestaltungsrichtlinien berücksichtigt hatte. Instinktiv hatte ich das Richtige gemacht. Das verblüffte mich immer wieder.


Sylvia: Wie sieht Dein Berufsalltag aus?

Valerie: Mein Beruf ist mein Leben. Ich liebe, was ich beruflich mache. Daher trenne ich nicht zwischen Freizeit und Arbeit, bzw. dem, was andere als Arbeit bezeichnen. Wenn ich eine Idee habe, setze ich sie um oder ich schreibe meine Gedanken auf. Egal ob werktags oder am Wochenende. Wenn es an einem Tag mal nicht so gut läuft, mache ich an einem anderen weiter.

Ich kann aber gerne einen typischen Tag aus meinem Leben beschreiben: Ich stehe auf, wenn ich erwache, nicht wenn der Wecker klingelt. Das ist in der Regel zwischen halb sieben und sieben Uhr. Ich frühstücke und mache danach zwei oder drei Kreise aus dem Tai Chi. Anschließend setze ich mich an den Schreibtisch und schreibe bis zum Mittagessen. Mittags nehme ich mir Zeit für die Webseite, den Blog oder zur Planung von Werbung. Ich zeichne oder mache einen Spaziergang im Wald, bei dem ich die Kamera dabei habe. Oder ich arbeite im Garten, das ist immer ein guter Ausgleich für mich. Dabei kann ich auch über aktuelle Projekte nachdenken.


Sylvia: Welche Vor- und Nachteile siehst Du in Deiner sensitiven Veranlagung?

Valerie: Nachteile sehe ich weniger in meiner Veranlagung, als viel mehr in der Gesellschaft, in die ich hineingeboren wurde. Eine Zeitlang habe ich versucht, mich auf meine Weise in das System der Gesellschaft einzubringen. Es ging mir dabei nicht gut. Deshalb habe ich es aufgegeben und gehe heute meinen eigenen Weg. Unser System ist zuwenig auf die Bedürfnisse von Hochsensiblen ausgerichtet. Zum Glück entsteht allmählich ein Bewusstsein dafür. Vielleicht werden es kommende Generationen von Hochsensiblen leichter haben, das wäre schön.

Vorteile sehe ich viele in meiner Veranlagung. Ich bin kreativ. Ich kann mich gut in Menschen, Tiere und Pflanzen einfühlen. Es gefällt mir, mich mit philosophischen Themen zu beschäftigen und in größeren Zusammenhängen zu denken. Musik oder schöne Erlebnisse lasse ich gerne in mir nachklingen, anstatt gleich zum nächsten zu hasten. Mir würde etwas fehlen, wenn ich meine Umwelt nicht mit soviel Feingefühl wahrnehmen könnte.


Sylvia: Wie setzt Du Deine kreativen Stärken in Deinem Beruf ein?

Valerie: Eine kreative Stärke von mir ist sicher meine Vielseitigkeit. Viele schreiben Bücher und sind damit sehr glücklich. Ich bewundere das. Mir wird es allerdings schnell langweilig, wenn ich mich nur auf eines konzentriere. Ich möchte Bücher schreiben und sie gestalten. Ich möchte zeichnen und fotografieren. Und ich weiß nicht, was ich noch alles ausprobieren werde. Mein eingeschlagener künstlerischer Weg ermöglicht es mir, all das zu leben. Ich habe die Aufgabe erkannt, die meinem Leben einen Sinn gibt. Aber diese Aufgabe besteht nicht in einer bestimmten Tätigkeit, sondern in der Aussage meiner Werke. Ich nutze dafür alle kreativen Mittel, die mir gefallen. Dadurch kann ich meine ganz eigenen Werke erschaffen. Meine vielseitigen kreativen Stärken bieten mir eine gewisse Unabhängigkeit. Ich brauche weder einen Grafiker, noch einen Illustrator oder Fotografen, um meine Bücher herauszubringen. Ich brauche nur einen guten Lektor, der meine Texte korrigiert. Und jemanden, der meine Bücher und Kalender produziert und vertreibt.


Sylvia: Wie gehst Du mit Lärm um?

Valerie: Lärm ist ein großes Problem für mich. Ich bin an einer Durchgangsstraße aufgewachsen. Als ich klein war, war das Verkehrsaufkommen noch nicht hoch. Doch mit den Jahren nahm der Verkehr immer mehr zu und es wurde immer lauter. Das hat mich viele Nerven gekostet. Heute wohne ich zum Glück in einem ruhigen Teil einer kleinen Gemeinde. Das schätze ich sehr, denn ich arbeite daheim.

Ich habe ein sehr gutes Gehör und bevorzuge in jeder Hinsicht die ruhigen Töne. Wenn ich mit lauter Musik oder Ähnlichem belästigt werde, benutze ich Ohropax. Im Allgemeinen versuche ich Lärm und andere Dinge, die mich belasten können, zu vermeiden. Ich weiß inzwischen sehr genau, was mir gut tut und was nicht. Ich richte mein Leben so ein, dass ich möglichst nicht überreizt werde. Damit habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Wer sagt, dass man in Discos gehen muss? Und wer sagt, dass man am Samstagmorgen einkaufen gehen muss, wenn alle anderen es tun? Niemand! Wer Rummel mag, kann das haben. Aber es sind nicht alle Menschen gleich. Ich brauche das nicht, es gibt genug Alternativen.


Sylvia: Was würdest Du Eltern raten, deren Kind eine künstlerische Karriere anstrebt?

Valerie: In den letzten Jahren ist leider die Meinung aufgekommen, dass man alles veröffentlichen muss, was man tut. Egal ob schreiben, fotografieren, malen oder musizieren. Für alles gibt es Kurse, alles kann man lernen. Viele machen das nur, weil sie sich präsentieren wollen. Sie machen dies wegen Geld und Erfolg. Aber es gibt nur sehr wenige, die damit richtig erfolgreich sind und viel Geld verdienen. Ich will niemandem etwas vormachen, Künstler zu sein ist kein leichtes Leben. Es ist von Vorteil, wenn man ein bescheidener Mensch ist und keine hohen Ansprüche hat. Geld und Erfolg sollten nicht das wichtigste in einer künstlerischen Karriere sein. Das kommt vielleicht mit der Zeit. Man sollte Künstler werden, weil man es liebt, die Kunst als Ausdrucksmittel einzusetzen. Und weil man tief im Inneren das Gefühl hat, dass man diesen Weg gehen will. Wenn das bei Ihrem Kind der Fall ist, dann unterstützen Sie es auf diesem Weg, wo immer es Ihre Hilfe braucht. Denn Ihr Kind kann darin den Sinn seines Lebens finden und der Welt etwas geben, das nur wenige vermögen. Ansonsten sind die verschiedensten Künste sicher schöne Hobbys, mit denen man eine erfüllte Freizeit haben kann.


Sylvia: Welche künstlerischen Vorbilder hast Du?

Valerie: Dazu möchte ich einen besonderen Menschen erwähnen, den Autor Sergio Bambaren (Der träumende Delfin). Er ist ein Träumer, der für seine große Leidenschaft, das Surfen, lebt. Er setzt sich für den Erhalt der Ozeane und deren Bewohner ein. Er hört auf seine innere Stimme und nicht auf den Lärm der Gesellschaft. In seinen Büchern lässt er sein Herz sprechen und er regt seine Leser dazu an, ihren Träumen zu folgen. Er schreibt darüber, wer er ist und was er tut. Dadurch erinnert er mich immer daran, wer ich bin, was ich will und worauf es im Leben wirklich ankommt. Seine Bücher kann ich allen Hochsensiblen wärmstens empfehlen.

Weitere literarische Vorbilder sind: Antoine de Saint-Exupéry (Der kleine Prinz), Richard Bach (Die Möwe Jonathan), John Strelecky (Safari des Lebens), Kahlil Gibran (Der Prophet) und Henry David Thoreau (Walden – oder Leben in den Wäldern).

In den Bereichen Illustration und Fotografie habe ich keine speziellen Vorbilder. Ich setze um, was aus meinem Inneren kommt. Aber ich bewundere Naturfotografen wie Florian Schulz und Markus Mauthe, die sich mit ihrer Fotografie für den Naturschutz einsetzen.


Sylvia: Welches kreative Herzens-Projekt hast Du kürzlich verwirklicht?

Valerie: Von der Gemeinde Neukirch bekam ich 2016 die Möglichkeit meine erste Ausstellung zu realisieren. Die Gemeinde stellt Künstlern die Wände im Rathaus dafür zur Verfügung. Für fünf Monate durfte ich unter dem Titel „Malerische Natur“ meine Illustrationen, Makro- und Landschaftsfotografien ausstellen. Dafür bin ich der Gemeinde sehr dankbar.

Mit meinen ausgewählten Werken wollte ich darauf aufmerksam machen, dass Tiere und Pflanzen keine roboterartigen Kreaturen sind. Sie sind Lebewesen mit eigenem Charakter, die wir respektieren und schützen sollten. Mir ging es darum, die Fantasie des Betrachters anzuregen. Sie dazu zu verleiten, nicht nur das Äußere der abgebildeten Geschöpfe wahrzunehmen, sondern auch ihr entscheidendes Inneres.


Sylvia: Welche drei Herzens-Botschaften würdest Du unseren hochsensiblen Lesern mit auf den Weg geben?

Valerie: Es ist ganz natürlich, dass Menschen verschiedene Veranlagungen haben. Ihr seid als Hochsensible geboren, für euch ist es normal, so zu sein! Ihr seid normal! Vergleicht euch nicht mit Menschen, die anders sind. Ihr solltet nur mit euch selbst konkurrieren. Macht euch keine Gedanken darüber, was andere über euch denken. Vielleicht können sie euch nicht verstehen, aber das sollte das Problem von denen sein, nicht eures.

Hört immer auf eure innere Stimme. Nicht darauf, was andere sagen. Wenn ihr eure innere Stimme nicht wahrnehmen könnt, dann geht in die Natur oder meditiert. Nehmt euch Zeit für euch selbst. Macht euch frei von Vorstellungen anderer. Dann wird eure innere Stimme wieder zu euch sprechen und euch führen.

Tut, was ihr liebt. Nicht das, was ihr glaubt, dass andere von euch erwarten. Vergesst nie, ihr müsst nicht den Weg gehen, den alle gehen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Geht euren eigenen Weg! Wenn ihr das schafft, werden euch viele dafür bewundern. Macht aus eurem Leben etwas Besonderes!


Sie erreichen Sylvia Harke über ihre Webseite: www.hsp-academy.de





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